History 1982 - 2002

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Hier also die ganze Wahrheit über den Kultcomputer "Amiga". Mit freundlicher Genehmigung des WEKA Computerzeitschriftenverlags in Poing bei München. Original verfasst von David Twigg Flessner. Ab 1995 wurden als Quellen diverse andere Webseiten, unter anderem das "Virtuelle Computermuseum" und Textbeiträge von M. Heine, verwendet.
März 1990
Devcon; Das geheimnis um "Baby" wird gelüftet - keine Spielkonsole sondern ein neues Zwittergerät, ein Amiga-CD-Zwitter. Damit wurde eine Phase eingeleitet, in der erstmals seit drei Jahren neue Modelle zu sehen waren.
Am 24. April wurde im New Yorker Palladium die Premiere von Amiga 3000 und AmigaVision gefeiert. Der Aufwand war wesentlich geringer als 1985, aber nicht minder beeindruckend. Die Videovorführung zeigte die Fähigkeiten des neuen Programms und des neuen Computers gleichzeitig. Damit war nicht nur der Einstieg, sondern effektiv die (vorläufige) Übernahme eines aktuellen Anwendungsbereichs geschaft: Amiga lieferte, was Apple unter der Bezeichnung "Multimedia" propagierte! Der Amiga 3000 signalisierte auch den Abschied vob der 16/24-Bit-Technologie mit dem Wechsel zu einer vollen 32-Bit-Architektur, mit einem auf 512 KByte angewachsennem Betriebsystem - nicht die lange gehandelte 1.4, sondern 2.0: eine Bezeichnung, die laut allen bis dato gemachten Ingenieursaussagen nur dann verwendet werden sollte, wenn die Rückwärtskompatibilität nicht mehr gewährleistet wäre.
Harry Coppermann hatte sich passende Worte zurechtgelegt: "Jetzt sind wir dran. Jetzt ist unsere Zeit gekommen. Die Technologie hatten wir bereits vor viereinhalb Jahren. Um die Wahrheit zu sagen, wir hatten ein multimediafähiges Produkt, bevor Multimedia produktreif war. Schauen Sie sich die anderen Firmen an: Sie reden von Multimedia, aber sie bringen es nicht. Sie liegen weit hinter Commodore zurück."
Sechs Wochen später: CES Chicago: der zweite Streich. Aus "Baby" ist das "Commodore Interactive Graphics Player", besser bekannt unter dem Marktnamen "Commodore Dynamic Total Vision", kurz CDTV, geworden. Die Markteinführung von CDTV wurde jedoch auf 1991 verschoben: um sicherzustellen, daß es für das neue Gerät auch hinreichend Software gab. Commodore konnte rosigen Zeiten entgegensehen.
Aber was dann kam, war typisch Commodore. Wie heißt es im "Deatbed- Vigil"-Video: "Sie rissen die Niederlage aus den Klauen des Erfolgs!"
Ohne groß zu überlegen, wurde kurzerhand - auf dem Höhepunkt des Erfolgs - der Amiga 500 abgesetzt und durch den 500+ mit dem ECS-Chipset ersetzt. Plötzlich funktionierten etliche Spiele auf dem 500+ nicht mehr! Sogar die Spiele- Entwickler waren überrascht. Proteste halfen nichts, die Firmenleitung blieb stur. Es sollte noch schlimmer kommen. Die PC-Abteilung mußte aufgegeben werden, weil der Marktanteil kaum erkennbar war.
Die alten Amiga 500 mußten aus dem Lager, um Platz für den 500+ zu machen: Absatz zu reduzierten preisen - ein Verlustgeschäft (wenn auch nicht für die erfreuten Käufer). Dann wurde Henry Rubin durch Bill Sydnes als Leiter der Hardwareseite abgelöst, und die Entwicklung blieb fast schlagartig stehen.
Bis Februar 1991 waren die ersten Prototypen des AA-Chipset fertig. Sie wurden in einige wenige Entwicklungsgeräte eingebaut; dieser Amiga 3000+, mit dem zusätzlichen "AT DSP 3210" als Soundprozessor, wurde auf den Entwicklerkonferenzen in Denver und Mailand vorgestellt. Die Serie sollte ab April anlaufen und wurde von der Firmenleitung gestoppt. Gleiches galt bis Oktober für alle AA-Projekte. Statt dessen wurde der als "Billiggerät" für Computerein-steiger geplante Amiga 300 umgemodelt und unter der Bezeichnung Amiga 600 als 500-Ersatz auf den Markt gebracht - ein Gerät, das weniger bot und mehr kostete! Die Firmenleitung ordnete für 1992 die Entwicklung eines Geräts für die Marktlücke zwischen Amiga 300 und Amiga 3000 an: der Amiga 2200 wurde jedoch rundweg von allen Niederlassungen abgelehnt. Die kritische Finanzlage spitzte sich immer mehr zu.
Die Bosse gaben nach: Grünes Licht für AA. Aus den Entwürfen für Amiga 3000+ und 2200 entsteht der Amiga 4000, mit Betriebssystem 3.0. Der Einfluß des von IBM-Gedanken gepräg-ten Sydnes macht sich im Wechsel von SCSI zu IDE deutlich bemerkbar. Obwohl der neue Amiga endlich mit A(G)A-Chips ausgeliefert wird und farbenmäßig mit dem Macintosh kon-kurrieren kann, ist die Reaktion nicht völlig zustimmend. Für "das untere Ende des Markts" wird der Amiga 1200 entwickelt: diesmal mit mehr Mitteln, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Fürs Weihnachtsgeschäft erscheint das neue Modell fast zu spät, und die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot. Es bahnt sich die Katastrophe an: angesichts des Amiga 1200 will niemand den 600. Auch der Amiga 3000 fällt bei den Käufern in Ungnade. ECS ist eindeutig "out". Die Verlustzahlen steigen weiter.
CDTV hat sich auch als Fehlschlag entpuppt. Die Technologie ist gegenüber den neuen Modellen überaltert, das Programmangebot ist von mäßiger Qualität. 1993 wird der Nachfolger, CD32, auf der Grundlage des 1200 entwickelt. Alle sind mit dem Entwurf zufrieden: "CD32 ist sowohl Spielkonsole, als auch zum Computer erweiterbar und kann als preiswerter Multimediatreiber eingesetzt werden. Aber die Mittel für die Serienproduktion reichen nur für etwa 100000 Geräte, wovon allein in Großbritannien etwa 50 000 verkauft werden. Laut Deathbed-Vigil-Video hätte „Commodore mit 400 000 Geräten überleben können".
Alles fällt der Finanznot nach und nach zum Opfer. Es findet keine Neuentwicklung statt; das AAA-Projekt wird eingestellt, obwohl die ersten Chips bereits existieren - Commodore kann die Lieferanten nicht mehr bezahlen. Nur an dem MPEG-Modul zum CD32, am Amiga 4000T und am Betriebssystem 3.1 wird weitergearbeitet.

April 1994

Commodore ist am Ende. Wer sich nach einer anderen Stelle umschauen will, wird von der Firmenleitung dazu ermutigt. Wunder werden nicht erwartet.
25.April. Es werden Entlassungen bekanntgegeben; nur noch 30 Mitarbeiter bleiben - auf dem höhepunkt waren es über 1000.
29.April. Auf den Bahamas reichen mehrere Niederlassungen den Auflösungsantrag ein. Commodore ist pleite.
Wie konnte die drittgrößte Firma auf den europäischen Markt so tief fallem ? Bereits 1989 äußerte sich Dale Luck zu Mängeln in der Firmenführung:
"Unter den Mitgliedern des Aufsichtsrats war kein einziger mit einem brauchbaren technischen Hintergrund. Keiner hat die Technologie wirklich kapiert... Commodore ist eine seltsame Gesellschaft. Man hat den Eindruck, sie geben nur vor, Computerhersteller zu sein. Andere Firmen haben Produktpaletten, setzen Ziele, planen lange im voraus. Die Leute vom Management verstehen die Ziele und was zu tun ist. Commodore scheint immer hinterher zu rennen. Die Manager haben das Delegieren nicht gelernt. Commodore hat MOS Technology, eine wunderbare Chipfirma, nie richtig genutzt. In der Qualitätskontrolle gibt es Problem, die in anderen Firmen in der Entwicklung und nicht in der Herstellung gelöst werden. Die Softwareleute machen es richtig, wie man bei 1.4 sieht." Ziemliche herbe Kritik von jemand, der Bescheid wußte.
Rettungschancen hatte es durchaus gegeben. Im "Deathbed Virgil" erfährt man zwei davon:
"Commodore hat eine Vereinbarung mit einer großen japanischen Firma ausgehandelt. Die sollte den Amiga in Japan weiterverkaufen. Japan war ein großer Markt, der noch nicht von IBM und Apple dominiert wurde. Nur Apple hatte einen Fuß in der Tür, weil der Macintosh die Kanjischrift gut darstellen konnte - etwas, was der Amiga mit der richtigen Software auch schaffen kann. Letztendlich kam es auf persönlichen Kontakt an, die traditionelle Begegnung der Firmenchefs. Und die Topmanager haben es vermasselt - gleich zweimal".
Sun Microsystems wollte einen OEM-Vertrag (Verkauf des Produkts einer anderen Firma unter ihrem Firmennamen) für den Amiga 3000 UX, als billiges 680x0-UNIX-Gerät zur Ergänzung ihrer neuen teueren SPARCs. Commodores Firmenleitung wollte nicht.

1995

Nach dem Konkurs von Commodore überschlugen sich regelrecht Gerüchte über angebliche Übernahmepläne von Firmen aus dem "Amiga" - Lager. Neben der noch gesunden Commodore Niederlassung in England befanden sich darunter auch namhafte Unternehmen, wie zb. Phase 5, Vesalia und Eagle Computer. Das beruhigte die Lage auf dem durch die Liquidation "geschockten" "Amiga – Markt und stieß bei den Anwendern auf positive Reaktion. Hatten sich diese Firmen doch in der Vergangenheit mit der Entwicklung von Grafikkarten, Beschleunigerboards und guter Software mehr um den "Amiga" verdient gemacht, als CBM selbst. Die Konkursverwalter wollten jedoch soviele Dollars wie möglich für die Reste bekommen. Deshalb hatten auch Mitarbeiter der britischen Commodore Tochtergesellschaft wenig Chancen, diese und CBM weltweit, als "Personal Buy Out" , zu übernehmen. Das notwendige Kapital fehlte dazu.
Manfred Schmitt, der Chef der deutschen Computerhandelskette ESCOM, war selbst am Anfang seiner Karierre bei Commodore in Braunschweig beschäftigt gewesen. Er hatte sich danach selbstständig gemacht und seine Kette von Computergeschäften auf Platz 2 in der Bundesrepublik im Umsatz an IBM – kompatiblen PC`s hinter Vobis gebracht. Er hatte noch reichlich Kontakte zu Commodore-Mitarbeitern. Als ihm dann der Gedanke kam, die Namen Commodore und Amiga in seine Hände zu bekommen, hatte er sehr gute Startchancen. Er beauftragte Petro Tschyschtschenko, dessen Vertrag mit Commodore noch bis Februar 1995 lief, die Übernahme für ihn zu managen. Er fuhr nach Amerika, um den Umfang der Rechte, Patente und unverkauften Waren zu begutachten und mit den Resten der Mannschaft sowie bereits Entlassenen über einen Wechsel zu ESCOM bzw. einer zu gründenden
Tochtergesellschaft zu sprechen. Alle Angesprochenen standen einer Übernahme durch ESCOM positiv gegenüber. Dem Konkursverwalter bot man 7,5 Millionen US-Dollar. Da es das bis dahin höchste Angebot war, stimmten diese dem Verkauf prinzipiell zu. Kurz darauf bot eine internationale Investmentgruppe 24 Millionen und ESCOM war weg vom Fenster. Zwar waren die Absichten dieser Gruppe unklar, im Gegensatz zu ESCOM, aber den Liquidatoren ging es nur ums Geld. Im März 1995 wurden die deutschen Rechte von Commodore einzeln verkauft, weil der Konkursverwalter Geld brauchte, um die auslaufenden Verträge zu bezahlen. ESCOM erwarb diese Rechte und hatte wieder einen Fuß in der Tür. Man flog wieder in die USA und sprach mit den Anwälten. Diese behaupteten, die deutschen Rechte seien ungültig, ESCOM hätte nichts gekauft außer einem wertlosen Stück Papier. Petro ließ sein Konzept zurück und flog recht wütend nach Hause. Zuhause angekommen, rief ihn der Konkursverwalter an. Er hatte es sich überlegt, und man machte einen Vertrag über den Verkauf der kompletten Rechte. Dieser Vertrag wurde den Konkursgericht vorgelegt und dort akzeptiert. Für den April wurde die (nach US-Konkursrecht vorgeschriebene) Versteigerung angesetzt.
Diese Auktion wurde eine richtig spannende Geschichte. ESCOM bot 5,3 Millionen inklusive Vertrag, den das Gericht akzeptiert hatte. DELL (eine US-Kette wie ESCOM) bot plötzlich 10 Millionen, konnte aber kein Konzept vorlegen. Eine weitere Kette bot ebenfalls, konnte aber die Kaution von 1 Million Dollar nicht hinterlegen, die bei Angebotsabgabe erforderlich war. So wurde die Auktion vertagt. Die Gläubiger sprachen am Abend mit Schmitt und Tschyschtschenko. Sie waren ebenfalls von Konzept überzeugt, wollten aber mehr Geld als die gebotenen 5,3 Millionen. DELL hatte schließlich erheblich mehr geboten. Die Gläubiger boten die sofortige Vertragsunterzeichnung über den Verkauf an, wenn Schmitt 10 Millionen zahlen wolle. Ansonsten wollten sie, noch in der Nacht, den Vertrag mit DELL unterschreiben. Schmitt sagte nur: "Dann geht doch zu DELL. An nächsten Morgen präsentierte DELL ein Angebot über 15 Millionen Dollar samt Vertrag. Allerdings mit der Option, 45 Tage lang die Aktiva der Firma Commodore zu prüfen, um dann entscheiden zu können. Daraufhin sagte der Richter, er halte vom ESCOM-Angebot mehr als von dieser windigen Sache, Schmitt müsse aber mehr bieten, um die Gläubiger zufriedenzustellen. In der Auktions-Mittagspause setzten sich ESCOM und die Gläubigervertetung zusammen und einigten sich. Das verkündete der Richter anschließend. Die DELL-Vertreter zogen beleidigt ab. Am 20 April 1995, ziemlich genau ein Jahr nach der Pleite, wurde Commodore inklusive aller internationalen Rechte und Patente an ESCOM für etwa 12 Millionen Dollar verkauft. Mehr war der einstige Riese CBM nicht mehr wert. Unter dem Label "Commodore" wurden dann PCs verkauft, die zuvor einfach "ESCOM PC" hießen. Nur das Typenschild war etwas anders. Später tauchten Schreibmaschinen, Aktenvernichter, Telefone und Taschenrechner "Made in Fernost" bei Einzelhandelsketten wie Metro oder REAL auf, die mit dem Namen "Commodore" etwas aufgewertet werden sollte. Man hoffte, der einstige Namen sorge für Zugkraft.
Die Amiga-Linie sollte weitergeführt und fortentwickelt werden. Der frühere Commodore-Manager Petro Tschyschtschenko wurde Direktor der ESCOM-Tochtergesellschaft Amiga Technologies GmbH. Er hatte gute Beziehungen zu dem ESCOM-Chef Manfred Schmitt gehabt (der früher bei CBM beschäftigt war). Tschyschtschenko war, wie früher Jack Tramiel, ein Visionär. Er wollte den Amiga vom Motorola-Prozessor hin zu einem zeitgemäßen Design mit RlSC-Prozessor (wie in Apple Macs auf der Basis des IBM/Motorola/Apple PPC 603) und runderneuertem Betriebsystem (z. B. Speicherschutz, präemptives Multitasking...) hinführen.
Doch zunächst wurde nur der A1200 unverändert wiederaufgelegt, einziges Zugeständnis an den Markt war 1995 eine 170 MB-Festplatte und Software im Wert von über 1000 DM (unter anderem Grafik- Text- Tabellen- sowie Datenbank-Software und zwei Spiele). Allerdings war es nicht exakt der "alte" A1200, sondern ein leicht geänderter: die Floppy (keine High Density, sondern immer noch nur 800 KB!) war insbesondere bei Spielen inkompatibel und mußte für ca 20 - 50 DM von Drittfirmen "gefixt" werden (A1200 aufmachen, Floppykabel abzehen, Adapter drauf, Kabel wieder anstecken, Amiga zuschrauben). Bis Ende 1995 verkauft man 20.000 Geräte in Europa, trotz Werbekampagnen bei MacDonalds reichte es nicht für mehr, die Massen wollten eben längst PCs mit Pentiums. Die Wiedereinführung in die USA war für Anfang 1996 geplant, dort verramschte man solange alte A600-Restbestände. Den A4000 gab es unverändert für 4500 DM. Mit einem DD-Floppylaufwerk und überholter Prozessorleistung (Apple hatte sich z. B. längst von 680XX-Prozessoren getrennt) ein überzogener Preis, der den Verkauf nicht gerade ankurbelte. Ein High-End-Clone wurde von einer Deutschen Firma vorgestellt: der Draco. Mit schnellem 68060 und optimierter Video-Hardware wurde er schnell der Nachfolger für aufgerüstete A4000 bei den Profis (z. B. in Fernsehstudios), den Massenmarkt konnte er wegen seines hohen Preises nicht erreichen.

1996

Zur CeBit 1996 stellt man ein selbstentwickeltes 4x-CD-Laufwerk vor und einen neuen Amiga (Codename "Walker"), der ab September für etwa 1600 DM erhältlich sein sollte. Auf der Basis eines Motorola 68030 (40 MHz Takt, geplant war eine Turbokarte mit PPC 603 ev RlSC-Prozessor) tummeln sich in einem staubsaugerähnlichen (kein Witz!) schwarzen Gehäuse einige wenige neuentwickelte ICs, die sonstige Hardware stammte von Industrie-PCs (Tastatur, Maus, Speicher, Festplatte, Floppy, Netzteil, CD-Rom, PCI-Bus sind keine Eigenentwicklungen mehr. So hoffte man, Kosten zu sparen.) Die Amiga-Gemeinde war nicht gerade begeistert. Zu langsam, CPU veraltet, PC-Komponenten, kein RISC-Chip, altes Betriebssystem, usw. sorgten für einstimmige Ablehnung. Die agilen deutschen Entwickler (Vesalia, Phase 5, ...) kündigten darauf die Eigenentwicklung eines Amiga-Power-PC-Systems an. Der Markt war verunsichert.
Der Walker war ein Zeichen dafür, daß Amiga Technologies selbst nicht genau wußte, was man wollte. Man blockierte sich selbst. So wollte man z. B. ein neues Amiga-OS 3.5 herausbringen, es wurde angekündigt, um es gleich darauf wieder fallen zu lassen. Petro Tscyschtschenko ließ es heimlich bei der neuen Firma Haage & Partner (ohne Wissen der Amerikaner) weiterentwickeln, damit überhaupt etwas vorwärts ging. Selbst die Präsentation der Amigas in den Escom-Filialen war mehr als dürftig. Sofern die Mitarbeiter (die die PC-Technologie schon oftmals nicht richtig verstanden und in Vergleichstest mit z. B. Vobis-Verkäufern schlecht abschnitten) überhaupt enen lauffähigen Amiga im Laden hatten, und den auch noch einschalteten, lief er in der 4-Farben Workbench in der niedrigsten Auflösung. Vorhanden war auch nur die vorinstallierte Software, weitere Software/Hardware suchte man im Laden vergeblich. ESCOM und Amiga Technologies hatten das hoffnungsvolle Vertrauen der Amiga-Gemeinde in kurzer Zeit verspielt. Lediglich agile deutsche Entwickler wie Vesalia, Haage & Partner, Draco, Phase 5, ...) sorgten für etwas Hoffnung, indem sie die Eigenentwicklung eines neuen Amiga-Systems auf Power-PC-Basis (Prozessor in Apples PowerMacs) ankündigten. Die bald nach der Walker-Präsentation erfolgte ESCOM-Pleite verhinderte die Fortentwicklung des Walker.

ESCOM pleite!

Diese Schreckensmeldung taucht im Frühling 1996 in den Netzen auf. Die Muttergesellschaft von Amiga Inc., die ESCOM AG, hatte sich übernommen. Ausgehend von den ständig steigenden Umsätzen im PC-Markt 1990 bis 1994 hatte man in Frankreich, England, den Niederlanden und in Deutschland über 50 neue Filialen eröffnet. Das sorgte für große Schuldenlast. Zusätzlich hatte man sich für das erwartete Weihnachtsgeschäft 1995 wie alle Jahre zuvor mit großen Mengen Hardware eingedeckt. Leider war das Weihnachtsgeschäft 1995 das erste, in den die gesamte Branche Umsatzeinbrüche hinnehmen mußte. Wie alle anderen großen Ketten (VOBIS, Atelco, Schadt, usw.) saß man auf Bergen von Speichermodulen, Festplatten, Motherboard, Grafikkarten usw, die man teuer eingekauft hatte. Weil der Umsatz ausblieb, senkten alle Anbieter die Verkaufspreise. So mußte man teilweise unter Einstandspreis verkaufen. Zusammen mit den Schulden, die die neuen Filialen verursachten, kamen so große Verluste zusammen, daß der Hauptaktionär der ESCOM AG (RWE, der größte Energieversorger der BRD) zusammen mit den Banken, den ihrer Meinung nach Hauptschuldigen, den Firmengründer Manfred Schmidt, als Vorstandsvorsitzenden absetzten und statt dessen Manfred Jost (ironischerweise einen ehemaligen Chef von Commodore Deutschland) beriefen. Trotzdem war ESCOM kurz darauf zahlungsunfähig, weil die Geldgeber keine weiteres Kapital nachschießen wollten. Die Tochtergesellschaft Amiga Technologies war also von der Mutter in den Ruin gezogen worden (das hatte Jack Tramiel 1965 vermeiden können!). Am 3. Juli 1996 stellte ESCOM einen Vergleichsantrag, um sich mit seinen Schuldner auf Stundung zu einigen. Die Verhandlungen waren erfolglos. Am 15. Juli beantragte man den Anschlußkonkurs, ESCOM war pleite. Die europäischen Töchter (Österreich, Benelux, England, Frankreich) hielten nur einige Tage länger aus, mußten dann ebenfalls schließen. Die französchischen Filialen wurden schnell verkauft, die Service-Abteilung wurde von Schadt aufgekauft (noch eine Kette in Deutschland). Die deutschen Filialen blieben solange geöffnet, bis alle Lager ausverkauft waren. So mancher User konnte sich günstige Schnäppchen sichern.

Gateway 2000 kauft "Amiga Technologies"

Wieder hing die Amigagemeinde in der Schwebe. Viele Anwender, die den Wechsel zu ESCOM noch mitgemacht hatten, und danach einen der neuen alten A1200 erworben hatten, kehrten dem Amiga den Rücken und wechselten (meist zum PC). In den Anzeigenblättern häuften sich billige Verkaufsangebote für A500 bis A4000 Systeme, laufende Gerüchte verunsicherten den Markt weiter. Mal wollte VisiCorp die Amiga-Rechte aufkaufen (um eine SetTopBox für den Empfang digitaler Fernsehkanäle daraus zu machen), Zeitschriften wollten schon den Vertrag gesehen haben; ein anderes Mal Schadt Computertechnik, dann machten deutsche Entwicklergruppen um Phase 5 und Eagle Kaufangebote.
Die PC-Kette ESCOM wurde von ComTech (einer weiteren Kette) bereits 1996 aufgekauft, man nannte die Läden zunächst in ESCOM 2000 um, ab 1997 hießen die Filialen, die nicht geschlossen wurden, ComTech. Erst am 27 März 1997 kaufte Gateway 2000, eine große amerikanische Kette (PC-Geschäfte und PC-Versandhandel) überraschenderweise den Amiga auf. Da Gateway2000 im Gegensatz zu Escom ausschließlich den Amiga gekauft hat, nicht aber die Rechte am Namen »Commodore«, hofft die Amiga-Gemeinde, daß damit auch der Fluch von ihrer "Freundin" genommen wurde - und in der Tat ließ bisher bei den Folgeinhabern des Commodore-Namens der finanzielle Niedergang nicht lange auf sich warten.
Strittig bleiben die Amiga-Rechte für China - sie wurden unmittelbar nach ihrer Ersteigerung durch Escom weiterverkauft und befinden sich mittlerweile im Besitz der Firma »Lotus Pacific«. Sie stellt den A6000-WonderTV vor - ein Amiga als Multimediagerät fürs Wohnzimmer: Heimcomputer, 32-Bit-Spielekonsole, Internet-Zugang, Abspieler für MPEG-Video-CDs, Photo-, Audio- und Karaoke-CDs, mit Office-Software, als Computer erweiterbar - und all das zu einem sehr niedrigen Preis.
Amiga Technologies stellte den Betrieb endgültig ein, dafür tauchte Amiga International auf. Es wurden weiterhin die alten A1200 und A4000 Geräte verkauft, die bereits ESCOM nicht loswurde. Auf dem Server "www.Amiga.de" standen im April 1998 immer noch die Bündel-Angebote, die man bereits 1995 geschnürt hatte. Jedoch vergab man Lizenzen an alle, die sie wollten. Die Lizenzen für die Amiga-Hardware wurden vor allem an deutsche Entwickler verkauft, die bereits früher Erweiterungen und Tower-Umbauten für die Commodore-Rechner produzierten (Vesalia, Phase 5, Eagle). Die Rechte am Namen "Commodore" gingen an Tulip Computers, einem niederländischen PC-Anbieter. Der ging jedoch 1998 ebenfalls pleite, so daß 1999 der Server "Commodore.Com" lediglich eine einzige Seite mit der Einstellung des Verkaufs und dem Hinweis, daß Commodore-Produkte ggf. nicht Jahr-2000-fest wären. Allerdings erschienen immer wieder Geräte unter dem Label "Commodore Office Line" auf dem Markt, allerdings waren es lediglich Billig-Importe aus China (Telefone, Anrufbeantworter, Papiervernichter, Faxgeräte , u. ä.).

"Amiga" – International

Gateway (das 2000 wurde 1999 fallengelassen, weil man im Jahre 2001 nicht veraltet klingen wollte) teilte Amiga International auf: In Braunschweig verblieb nur die Verwaltung und ein Lager, in den USA entstand unter Jeff Schindler eine neue Entwicklungsabteilung. Doch die Verlautbarungen von AI erinnerten leider an übelste Commodore-Tage: Gerüchte tauchten auf, es wurde dementiert, gleich darauf offiziell angekündigt und dann doch wieder dementiert (so z. B. das eigentlich fertige OS 3.5). 18 Monate nach der Übernahme hatte AI nichts, aber auch gar nichts auf die Beine gestellt, keinen sehnsüchtig erwarteten Rechner, kein neues OS, nur immer noch A1200-Bundles, die man von ESCOM "geerbt" hatte und die immer noch niemand haben wollte, weil die Technik immer mehr veraltete. Lediglich die Lizenzvergabe klappte hervoragend, so hatte eine amerikanische Firma das Recht, alle möglichen Dinge mit dem Logo zu schmücken, also Tassen und T-Shirts mit dem Amiga-Logo darauf zu produzieren. Das brauchte die Amiga-Gemeinde nun wirklich nicht. Nur weil "Powered by Amiga"-Aufkleber zu haben waren, kaufte niemand einen Computer. Viele ehemals treue Amiga-Anwender, denen das dasein eines Nischensystems nichts ausmachte, und die Nachteile wie kaum neue Software und Spiele, langsame Hardware (im Verkaufszustand), relativ hohe Preise für der Zeit angemessene Hardware (Grafik-, Sound-, Schnittstellen-, Beschleunigerkarten müßten ja immer von Fremdfirmen erworben werden) und Nachhinken in den Internet-Standarts (so gibt es weder den Microsoft noch den Netscape-Browser für Amiga-OS) in Kauf nahmen, wechselten nun doch, weil sie in Gateway keine Zukunft mehr sahen, auf PCs und Apple Macintoshs. Nur die ganz Standhaften erwarben eine PPC-Karte, die einen neuen Amiga-Standart (nur nicht von AI) darstellte. Allerdings reichte für diesen Standart eine Verkaufszahl von 15.000 Karten weltweit aus. Soviele Computer verkaufte ALDI (die Lebensmittelkette) bei einer einzigen PC-Verkaufs-Aktion in der BRD.
Ende 1998 raffte sich Gateway doch endlich auf. Man sagte sich, daß die Übernahme der Amiga-Technologie viel Geld gekostet, aber noch keine Ergebnisse gebracht hatte. So wurden die amerikanischen Entwickler angetrieben, ein neues OS und einen neuen Rechner zu entwickeln. Die neuen Pläne von Amiga, Inc. sahen vor, auf einen neuen Prozessor zu migrieren - jedoch nicht, wie erwartet, auf Motorolas PowerPC-CPU, sondern auf einen noch geheimen Superchip, der zugleich unglaubliche Multimedia-Fähigkeiten in sich vereint. Dieser Prozessor sollte nicht nur weitaus leistungsfähiger sein als PC-HighEnd-Systeme, sondern sogar zudem auch wesentlich billiger.
Für Verwirrung sorgte zunächst, daß AmigaOS 4.0 auf Intel-kompatiblen Prozessoren laufen sollte. Nach dem ersten Aufschrei des Entsetzens, der durch die Amiga-Gemeinde ging, klärte sich jedoch auf, daß dies nur eine Übergangslösung ist: AmigaOS 4.0 ist nur für Entwickler gedacht und nicht für den End-User. Da nämlich die Entwicklungsumgebung für den künftig im Amiga werkelnden Superprozessor nur für den PC existiert, dort also der Superprozessor, den es bisher nur als Prototyp gibt, emuliert wird, müssten die Software-Entwickler ihre Programme für den "Amiga-II" bis zu dessen Erscheinen zunächst auf normalen PCs schreiben.
AmigaOS 5.0 aber, das eigentliche neue Betriebssystem, zu welchem AmigaOS 4.0 auf dem Entwicklersystem nach und nach entwickelt wird, hätte dann auf dem neuen "Amiga II" – System erscheinen sollen.
Kommentar von "Mr.Exec", Carl Sassenrath, Mitglied der ursprünglichen Amiga-Entwickler-Crew, dem AmigaOS das Multitasking verdankt:
"I would never have believed it, had I not been there and seen it with my own eyes. This technology really seems to be the best match for the Amiga philosophy, one that meets high-end expectations at low-end price. It will be fun to again see the Amiga blow the socks off everything else thats out there."
Auf der Computer`98 in Köln, der alljährlich größten Amiga-Messe der Welt, gab AI eine Allianz mit QNX Software Systems Ltd. (QSSL) für die Entwicklung des AmigaOS 5.0 bekannt. Wie eine auf der QSSL-Homepage downloadbare Demo-Disk eindrucksvoll bewies, ist die QNX-Architektur ähnlich effizient wie das AmigaOS. Zudem bot QNX mit seiner Skalierbarkeit auf Microkernel-Ebene beste Voraussetzungen für die von Amiga Incorporated angestrebte weite Produktpalette von der Settop-Box bis zur Workstation.
Am 26. Februar 1999 zog das Amiga-Hauptquartier um nach San Diego, Kalifornien. Die bisher selbständigen Gateway-Töchter Amiga Inc. (Research & Development, USA) und Amiga International Inc. (Sales & Marketing, Deutschland) wurden nun zu einem einzigen Unternehmen zusammengefaßt, welches weiterhin eine hundertprozentige, aber selbständig operierende Tochterfirma von Gateway blieb. Neuer Gesamt-Amiga-Chef wurde Jim Collas, ehemaliger Senior Vice President von Gateway. Jeff Schindler und Petro Tyschtschenko bleiben in ihren bisherigen Positionen als Manager für Produkt-Strategie bzw. für Verkauf und Marketing.
Zunächst wurde die Entwicklung von OS 3.5 für die "Classic" – Linie vorangetrieben. Als Erscheinungszeitraum wurde August 1999 anvisiert, der Preis sollte bei knapp hundert Mark liegen. Bei entsprechenden Verkaufszahlen des Updates ist eine weitere Fortsetzung der "Classic"-Linie möglich - offenbar auch hin zu neuen "PPC-only"-Rechnern. Dank des 68k-Emulators von Haage&Partner sollte anscheinend eine schrittweise Portierung des originalen AmigaOS von Motorolas 680x0-Prozessoren zu deren PowerPC-Familie erfolgen.
Auf der "World of Amiga" in London legten Jim Collas und sein Team noch einmal ihre Strategie dar, wie sie einige Tage zuvor auch auf Amigas Website im "Technologie-Brief" vorgestellt wurde.
Demnach sollte künftig nicht, wie ursprünglich vorgesehen, QNX die Grundlage des neuen "Amiga Operating Environment" darstellen, sondern Linux. Der Grund für diesen Wechsel trotz der technologischen Überlegenheit und weit größeren philosophischen Nähe zum AmigaOS von QNX zu Linux ist rein marketingtechnisch zu sehen, nicht technisch.
Ein weiterer Grund sollte natürlich auch der neue Zentralprozessor sein. Da Amiga Inc. die CPU des neuen Amiga MCC ("Multimedia Convergence Computer") noch immer nicht offiziell bekannt gegeben hatte, wiesen die kaum noch subtil zu nennenden Andeutungen doch klar auf die derzeit geheimnisumwittertste Prozessorfirma überhaupt: Transmeta. Der Chip von Transmeta ist insbesondere im Hinblick auf die Emulation fremden Codes legendenumwoben. Und zwar ist dieser VLIW-Prozessor in der Lage, fremde Instruktionssets zu übersetzen und in nativer Geschwindigkeit auszuführen. Als Beispiel wurde auf der WOA bei einer Präsentation gesagt, daß er z.B. einen Block von acht x86-Opcodes als bloß zwei eigene Instruktionen ausführt.
Unter anderem arbeitete für Transmeta auch der "Vater" des Betriebssystems Linux, Linus Torvalds. Angeblich war er auch an den Anpassungen des Linux-Kernels für das geplante AmigaOE beteiligt.
Der Amiga MCC sollte zum Jahresende herauskommen. Das Gehäuse war auf den ersten Blick videorekorderartig, schwarz, mit zwei der sieben USB-Ports vorne links, rechts dem Einschaltknopf und mittig zentriert schließlich oben das DVD-Laufwerk und darunter ein Schacht für optionale Laufwerke. Das OS sollte nicht einfach eine weitere Linux-Distribution darstellen, lediglich ein schmaler, angepaßter Linux-Kernel sollte verwendet werden.
Doch aus diesen Plänen wurde nichts. Im 4 Quartal wurde Jim Collas gefeuert (Microsoft machte Druck!!), und das engültige Aus für die Hardwareentwicklung verkündet. Es stellt sich nur die Frage, warum Gateway erst alles kaufte, lange Gerüchte und Absichtserklärungen verbreitete und zurückzog, Entwickler einstellte und feuerte, um dann doch alles einzustampfen. Jedenfalls wurde die alte Commodore-Politik des ungesteuerten Chaos nahtlos fortgesetzt. Hätten ESCOM und Gateway Nägel mit Köpfen gemacht, statt Luft zu produzieren, hätte der Amiga möglicherweise überleben können. Doch so war das Ende 1994 eigentlich definitiv, die Bemühungen hatten nur den Effekt der "Leichenkonservierung". Harte Worte, aber m. E. der Situation gerecht.
Alles in allem sieht man an der Geschichte von Commodore bzw. deren Nachfolgern, was passiert, wenn reine Geschäftemacher einen Traumcomputer-System übernehmen. Nicht die Entwickler bestimmten die Firmenpolitik, sondern das Management diktierte den Kurs. Wären der C64 und der Amiga nicht so faszinierende Computer, wären ihnen die Anwender nicht Jahre über das Ende der Produktion hin treu geblieben.